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Immobilen- und Baugutachten

Sachwertverfahren: Wie Sie den Wert Ihrer Immobilie ermitteln

Judith Müller
Verfasst von Judith Müller
Zuletzt aktualisiert: 04. Juni 2021
Lesedauer: 6 Minuten
© Daisy-Daisy / istockphoto.com

Das Sachwertverfahren ist eine von drei Möglichkeiten, den Wert eines Grundstücks und einer Immobilie zu berechnen. Eine Immobilienbewertung ist beispielsweise beim Verkauf, bei Vermögensaufteilungen, Scheidungsverfahren oder Zwangsversteigerungen erforderlich.

Alles auf einen Blick:

  • Das Sachwertverfahren ist eine Möglichkeit, den Sachwert (Verkehrswert) einer Immobilie herauszufinden.
  • Für den Sachwert zählen der Gebäude- und Grundstückswert, Alter und Zustand des Bauwerks sowie der regionale Immobilienmarkt.
  • Dieses Rechenverfahren eignet sich in erster Linie für industriell und öffentlich genutzte Gebäude und dann, wenn das Ertragswert- und Vergleichswertverfahren nicht anwendbar sind.
  • Für den Gutachter sollten Sie bei regulären Einfamilienhäusern mit 1.000 bis 2.000 Euro rechnen.


Definition und Anwendungsbereich

In Deutschland gibt die Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV) vor, nach welchen Grundsätzen der Verkehrswert einer Immobilie berechnet wird. Eine Möglichkeit dabei ist das Sachwertverfahren.

Was ist das Sachwertverfahren?

Mit diesem Rechenverfahren lässt sich der Sachwert einer Immobilie samt dem dazugehörenden Grundstück bestimmen.

Dieser ergibt sich aus den folgenden Werten:

  • Gebäudewert
  • Wert der Außenanlagen
  • Bodenwert

Das aktuelle und zukünftige Marktgeschehen wird nicht berücksichtigt, was eine Schwachstelle bei dieser Berechnungsform darstellt. Um dennoch einen möglichst realistischen Immobilienwert zu erhalten, wird der Sachwert bei der Berechnung mit einem Marktanpassungsfaktor korrigiert.

Die Höhe der Marktanpassungsfaktoren wird deutschlandweit von Gutachterausschüssen ermittelt und vorgegeben.

Der Marktwert einer Immobilie kann bei dieser Form der Wertermittlung nur mithilfe dieses Marktanpassungsfaktors berechnet werden.

Wann ist das Sachwertverfahren anzuwenden?

Das Sachwertverfahren kann zusätzlich zum Vergleichswert- beziehungsweise Ertragswertverfahren angewandt werden, um deren Ergebnisse zu bestätigen. Es kommt aber auch dann zum Einsatz, wenn die beiden anderen Möglichkeiten zur Wertermittlung nicht funktionieren.

Beim Vergleichswertverfahren wird beispielsweise der gesuchte Marktwert aus den tatsächlich gezahlten Kaufpreisen anderer Grundstücke abgeleitet. Voraussetzung dafür ist, dass die Vergleichsgrundstücke in Lage, Nutzung, Bodenbeschaffenheit und sonstigen Besonderheiten mit dem jeweiligen Objekt übereinstimmen.

Das Ertragswertverfahren eignet sich ausschließlich für Renditeobjekte, also Immobilien, die vermietet oder verpachtet werden und dadurch Einnahmen erwirtschaften. Bringt das zu bewertende Objekt keine Mieterträge ein oder gibt es keine ortsüblichen Mieten zum Vergleich, kann dieses Verfahren nicht angewandt werden.

Zudem ist das Sachwertverfahren das einzige Verfahren, das sich für die Wertermittlung von Fabrikgebäuden oder öffentlichen Objekten wie Bahnhöfen eignet.

WISSENSWERTES:
Für selbstbewohnte Häuser oder Eigentumswohnungen kommt in der Regel nicht das Sachwertverfahren, sondern das Vergleichswertverfahren infrage. Der Grund: Meist ist genügend vergleichbarer Wohnraum in der Nähe vorhanden.
 

Welche Vorteile und Nachteile hat diese Immobilienbewertung?

In manchen Fällen ist das Sachwertverfahren die einzige Möglichkeit, den Marktwert einer genutzten Immobilie zu ermitteln.

Diese Form der Berechnung hat folgende Vor- und Nachteile:

Vorteile:

  • Objektives Verfahren zur Ermittlung des Substanzwerts
  • Herstellungskosten nach aktuellem Preisniveau

Nachteile:

  • Abhängig vom Marktanpassungsfaktor
  • Marktgeschehen wird nicht berücksichtigt
  • Zu wenig Daten für moderne Haustypen wie Passivhäuser


Ermittlung des Immobilienwertes

Der Sachwert eines Bauwerks ergibt sich aus den Herstellungskosten und der Alterswertminderung. Bei letzterer wird die Restnutzungsdauer der genutzten Immobilie ins Verhältnis zur Gesamtnutzungsdauer gesetzt. Das anschließende Verfahren zur Berechnung des Sachwertes ist die Summe aus dem Verkehrswert der Immobilie und des Grundstücks.

Welche Faktoren beeinflussen das Sachwertverfahren?

Alle Faktoren, die den Wert des Grundstücks und den Wert der Immobilie beeinflussen, spielen beim Sachwertverfahren eine wichtige Rolle. Dazu gesellt sich noch der Marktanpassungsfaktor.

Bodenwert

Um den Bodenwert zu ermitteln, wird von einem unbebauten Grundstück ausgegangen. Anhand der Bodenrichtwerte der Gemeinde oder Stadt und der Grundstücksgröße berechnet sich der Wert des Grundes.

Gebäudesachwert

Die Bausubstanz des Gebäudes wird in ihre Bauteile aufgeteilt und einzeln bewertet. Denn es zählen nicht nur die reinen Baukosten, sondern auch Alter, Qualität und aktueller Zustand der einzelnen Bauteile. Die Herstellungskosten sind beim Sachwertverfahren je nach Bundesland in einem Regelkatalog festgelegt. Sie heißen daher Regelherstellungskosten und berechnen sich pro Quadratmeter. Aufgrund der Alterswertminderung verliert ein Gebäude pro Jahr 1,25 Prozent des ursprünglichen Werts. Neben dem Baujahr zählen für den Sachverständigen auch ausgeführte oder noch ausstehende Reparaturen, besondere Ausstattungsmerkmale und sonstige Anlagen im Außenbereich.

Marktanpassungsfaktor

Bodenwert und Gebäudesachwert werden nun addiert und mit dem Marktanpassungsfaktor multipliziert. Damit wird der vorläufige Sachwert der Immobilie an die regionalen Verhältnisse des Immobilienmarkts angepasst. Denn der Verkehrswert von ein und demselben Haus in einer Metropole ist deutlich höher als in einer ländlichen, strukturschwachen Umgebung.

Wie wird der Marktwert der Immobilie berechnet?

Beim Sachwertverfahren wird der Gebäudesachwert samt Bodenwert mit folgender Formel ermittelt:

 
Sachwert (Verkehrswert) = (Bodenwert + Gebäudesachwert) * Marktanpassungsfaktor
 

Die einzelnen Bestandteile der Formel berechnen sich folgendermaßen:

Bodenwert = Bodenrichtwert pro qm * Grundstücksfläche

Gebäudeherstellungskosten = Regelherstellungskosten pro qm * Brutto-Grundfläche

Alterswertminderung = Gebäudeherstellungskosten * Alter des Gebäudes * 0,0125

Gebäudesachwert = Gebäudeherstellungskosten – Alterswertminderung

Beispielrechnung

Brutto-Grundfläche: 150 m²
Regelherstellungskosten (laut Gutachter): 1.000 € pro m²
Grundstücksfläche: 500 m²
Bodenrichtwert: 200 € pro m²
Alter des Gebäudes: 25 Jahre
Marktanpassungsfaktor: 0,9

Bodenwert: 200 €/m² * 500 m² = 100.000€

Gebäudeherstellungskosten: 1.000 €/m² * 150 m² = 150.000 €

Alterswertminderung: 150.000 € * 25 * 0,0125 = 46.875 €

Gebäudesachwert: 150.000 € – 46.875 € = 103.125 €
________________________________________________________

Sachwert (Verkehrswert):
(100.000 € + 103.125 €) * 0,9 = 182.812,50 €

Kosten

Die Immobilienbewertung nach dem Sachwertverfahren für bebaute Grundstücke ist sehr komplex aufgebaut. Wer die Ermittlung ohne Sachverständigen durchführt, kann sich dabei ordentlich verkalkulieren.

Wie viel kostet ein Wertgutachten?

Das Honorar für den Gutachter ist seit 2009 frei verhandelbar und somit an keine Verordnungen gebunden. In der Regel fallen für ein reguläres Einfamilienhaus mit einer Grundfläche von 120 bis 150 Quadratmeter Gutachterkosten zwischen 1.000 und 2.000 Euro an.

Die Höhe des Honorars hängt zum einen vom Wert der zu begutachtenden Immobilie ab. Zum anderen steigen die Kosten je aufwendiger das Gutachten für den Sachverständigen ist. Mehr Aufwand hat der Sachverständige beispielsweise dann, wenn das Haus schwer einzuschätzen ist und eine umfangreiche Untersuchung nötig wird. Oder dann, wenn das Gutachten sehr hohe, formale Anforderungen erfüllen muss, weil es vor Gericht Bestand haben soll.

Kurzgutachten sind deutlich günstiger, aber auch nicht so genau und umfangreich wie Langgutachten. Rein für den Immobilienverkauf reichen solche Immobilienbewertungen meist aus. Vor Gericht haben sie allerdings keine Gültigkeit.

Was ist günstiger: Sachwertverfahren, Ertragswertverfahren oder Vergleichswertverfahren?

Das Honorar legt der Gutachter selbst fest. Es ist daher nicht pauschal zu beantworten, welche Immobilienbewertung am günstigsten ist.

Generell ist es aber so, dass das Honorar vom Immobilienwert und vom Aufwand für den Sachverständigen abhängt. Je schwieriger eine Immobilie zu bewerten ist, desto teurer fällt das Gutachten aus.



Fazit

Das Sachwertverfahren ist eine von drei Möglichkeiten, den Wert einer Immobilie zu bestimmen. Dafür wird zunächst der Sachwert der Gebäude, der dazugehörenden Außenanlagen und des Grundstücks ermittelt. Anschließend müssen die Abnutzung des Bauwerks und die regionalen Verhältnisse des Immobilienmarktes einkalkuliert werden.

Zur groben Orientierung gilt die Wertermittlung über den Sachwert als zuverlässige Hilfe. In der Regel wird es jedoch nur ergänzend zum Vergleichswert- oder Ertragswertverfahren angewandt, um bereits ermittelte Immobilienwerte zu bestätigen.

Über unsere*n Autor*in
Judith Müller
Judith studierte Technikjournalismus und Technik-PR. Während ihres Studiums lernte sie beim Radio, bei der Zeitung und in der Kommunikationsabteilung eines Automobilzulieferers. Im Anschluss volontierte sie beim Immobilienportal Immowelt und schrieb dort unter anderem auch für den Hausbau-Ratgeber bauen.de.