Sie möchten ein Mietshaus kaufen oder verkaufen? Mithilfe einer Immobilienbewertung erfahren Sie den realistischen Preis eines solchen Objekts. Handelt es sich um vermieteten Wohnraum, der aufgrund der Mieteinnahmen Gewinne erwirtschaftet, kommt für die Berechnung das sogenannte Ertragswertverfahren zum Einsatz.
Alles auf einen Blick:
- Mit dem Ertragswertverfahren können Gutachter den Verkehrswert einer vermieteten Immobilie ermitteln. Die Berechnung funktioniert nach einem standardisierten Verfahren zur Wertermittlung.
- Kerngrößen in der Rechenformel sind dabei der Grundstückswert, die Mieteinnahmen, die Bewirtschaftungskosten, die Restnutzungsdauer, der Liegenschaftszinssatz und wertbeeinflussende Umstände wie Sanierungen.
- Die Berechnung ist kompliziert und verlangt einiges an Erfahrung. Für ein realistisches Ergebnis sollte ein professioneller Gutachter die Wertermittlung durchführen.
- Wer nur eine grobe Einschätzung des Kaufpreises benötigt, kann das vereinfachte Ertragswertverfahren anwenden.
- Für privat genutzte Gebäude eignet sich dieses Verfahren nicht. Dann ist das Vergleichswert- oder das Sachwertverfahren das Mittel der Wahl.
Definition und Anwendungsbereiche
Das Ertragswertverfahren ist neben dem Sachwertverfahren und dem Vergleichswertverfahren eine anerkannte Methode für die Immobilienbewertung vermieteter Gebäude.
Was ist das Ertragswertverfahren?
Das Ertragswertverfahren ist eine Rechenmethode, um den Wert einer Immobilie zu ermitteln. Es eignet sich jedoch nur für Renditeobjekte – also Immobilien, die durch Vermietung oder Verpachtung Erträge erwirtschaften. Daher auch die Bezeichnung Ertragswertverfahren.
Bei vermieteten Objekten kommt es, anders als beispielsweise bei Einfamilienhäusern, nicht nur auf den Sachwert von Grundstück und baulichen Anlagen an. Käufer und Verkäufer interessiert auch, mit welchem Gewinn durch die Mieten sie in welchem Zeitraum rechnen können und wie viel Geld nötig ist, um die Immobilie in Schuss zu halten. So spielen neben dem Wert des Grundes und dem Zustand der baulichen Anlagen auch die Mieteinnahmen, die Bewirtschaftungskosten, die Restnutzungsdauer und der Liegenschaftszins eine wichtige Rolle.
Beim Ertragswertverfahren handelt sich um ein standardisiertes Verfahren, das in der Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV) Abschnitt 3 geregelt ist.
Was sind die Vorteile und Nachteile?
Das Verfahren zur Berechnung des Ertragswertes berücksichtigt viele Details und liefert für vermietete Immobilien ein realistischeres Ergebnis als das Sachwert- oder Vergleichswertverfahren. Dennoch hat es auch seine Schwächen.
Vorteile:
- eindeutige, marktnahe und realistische Immobilienwerte
- Hoher Praxisbezug
Nachteile:
- Zukünftige Mietpreisentwicklung unberücksichtigt
- Liegenschaftszins nicht für jede Gemeinde vorhanden
Was ist der Unterschied zum Vergleichswertverfahren und Sachwertverfahren?
Während es beim Ertragswertverfahren vor allem um die Gewinne geht, die eine Immobilie erwirtschaftet, ermittelt das Vergleichswertverfahren den Verkehrswert einer Immobilie, indem es andere Objekte zum Vergleich heranzieht. Beim Sachwertverfahren geht es um den reinen, derzeitigen Sachwert eines Objekts.
- Vergleichswertverfahren
Das Vergleichswertverfahren ermittelt den Verkehrswert einer Immobilie anhand vergleichbarer, bereits verkaufter Objekte in der Umgebung. Aus den tatsächlich gezahlten Kaufpreisen ergibt sich ein durchschnittlicher Quadratmeterpreis. Dieser wird mit der Gebäude-Grundfläche des jeweiligen Objekts multipliziert. Das Vergleichswertverfahren funktioniert allerdings nur, wenn es genügend Vergleichsobjekte (mindestens zehn) gibt, die in Lage, Nutzung, Bodenbeschaffenheit und baulichem Zustand übereinstimmen. - Sachwertverfahren
Beim Sachwertverfahren ergibt sich der Sachwert einer Immobilie aus dem Bodenwert des Grundstücks, dem Wert der baulichen Anlagen und dem Wert der Außenanlagen. Damit das aktuelle Marktgeschehen nicht völlig außer Acht gelassen wird, muss der ermittelte Sachwert mit einem Marktanpassungsfaktor korrigiert werden. Allerdings bleiben andere, wichtige Faktoren wie die Miete unberücksichtigt. Somit kann der tatsächliche Verkehrswert einer Immobilie verfälscht werden. Das ist eine Schwäche des Sachwertverfahrens. Es sollte daher nur angewandt werden, wenn die beiden anderen Verfahren nicht funktionieren. Das betrifft beispielsweise Gebäude, die nicht vermietet werden, für die es aber auch keine Vergleichsobjekte gibt. Ein typisches Beispiel dafür sind Bahnhöfe.
So funktioniert das Ertragswertverfahren
Das Bewertungsverfahren für vermietete Immobilien ist eine komplizierte, fehleranfällige Angelegenheit. Am besten überlässt man die Ermittlung einem Profi.
Welche Faktoren sind Bestandteil der Rechnung?
Neben dem Bodenwert und dem Wert der baulichen Anlagen spielen unter anderem auch die Mieteinnahmen, die Bewirtschaftungskosten, die Restnutzungsdauer und der Liegenschaftszinssatz eine wichtige Rolle.
- Bodenwert
Hiermit ist der reine Wert des Grundstücks gemeint. Er umfasst keine Gebäude und keine Außenanlagen. Der Bodenwert errechnet sich aus der Grundstücksgröße und dem Bodenrichtwert pro Quadratmeter, den die jeweilige Gemeinde oder Stadt vorgibt. - Liegenschaftszinssatz
Mit Liegenschaft ist ein bebautes Grundstück gemeint, der Liegenschaftszins ist der Zinssatz, mit dem Immobilienvermögen für gewöhnlich verzinst werden. Beim Ertragswertverfahren bezieht sich diese Verzinsung aber nur auf den Bodenwert. Denn der Boden verliert über die vielen Nutzungsjahre nicht an Wert, die Immobilie durch die Abnutzung jedoch schon. Der Liegenschaftszinssatz liegt in der Regel zwischen zwei und neun Prozent. Generell gilt: Je niedriger der Zinssatz, desto wertstabiler ist die Immobilie. - Reinertrag des Grundstücks
Der Reinertrag eines Grundstücks ist der Betrag, der am Jahresende nach allen Einnahmen und Ausgaben übrig bleibt. Er ergibt sich aus dem Rohertrag, also den Mieteinnahmen, abzüglich der Bewirtschaftungskosten. Letztere sind alle Kosten, die für Verwaltung, Instandhaltung und Betrieb entstehen und nicht auf die Mieter umgelegt werden können. - Vervielfältiger
Der Vervielfältiger ermittelt sich aus der Restnutzungsdauer einer Immobilie und dem Liegenschaftszins. Je länger eine Immobilie noch genutzt werden kann, desto höher ist der Wert des Vervielfältigers. Als zentrale Größe im Rechenverfahren hat er großen Einfluss auf den endgültigen Ertragswert eines Objekts.Die Formel lautet: V = (qn-1) / (qn * i)V = Vervielfältiger
n = Restnutzungsdauer
i = Liegenschaftszinssatz q = i + 1 - Wertbeeinflussende Umstände
Für den endgültigen Ertragswert einer Immobilie werden im letzten Rechenschritt wertsteigernde oder wertmindernde Umstände einkalkuliert. Das können Sanierungsmaßnahmen sein, die bereits durchgeführt wurden und den Wert der Immobilie steigern. Maßnahmen, die dagegen noch ausstehen, bedeuten für den neuen Eigentümer erst einmal Ausgaben und senken damit den Wert der Immobilie.
Wie wird der Immobilienwert berechnet?
Die allgemeine Formel zur Ermittlung des Ertragswertes lautet:
Ertragswert = Bodenwert + Gebäudeertragswert
Während die Ermittlung des Bodenwerts noch verhältnismäßig einfach ist, fließen in den Gebäudeertragswert viele, verschiedene Faktoren mit ein. Kommen wertsteigernde oder wertmindernde Umstände hinzu, muss der Ertragswert zum Schluss um diesen Betrag korrigiert werden. Der folgende Überblick zeigt Ihnen die einzelnen Schritte der Berechnung:
Bodenwert = Grundstücksfläche * Bodenrichtwert pro m²
Bodenwertverzinsung = Bodenwert * Liegenschaftszins
Reinertrag des Grundstücks = Rohertrag – Bewirtschaftungskosten
Gebäudereinertrag = Reinertrag des Grundstücks – Bodenwertverzinsung
Gebäudeertragswert = Gebäudereinertrag * Vervielfältiger
Vorläufiger Ertragswert = Bodenwert + Gebäudeertragswert
Endgültiger Ertragswert = Vorläufiger Ertragswert +/- wertbeeinflussende Umstände
Beispiel für die Berechnung
Im Folgenden soll der Immobilienwert eines freistehenden Mehrfamilienhauses ermittelt werden.
Immobilienart | Freistehendes Mehrfamilienhaus |
Grundstücksfläche | 400 m² |
Bodenrichtwert | 290 €/m² |
Wohnfläche | 290 €/m² |
Baujahr | 1985 (Restnutzungsdauer: 46 Jahre) |
Wertminderung | 45.000 € (anstehende Dacherneuerung) |
Vervielfältiger | 17,81 |
Liegenschaftszins | 2,5 % (= 0,025) |
Jahresmiete (= Rohertrag) | 63.000 € |
Bewirtschaftungskosten | 17.010 € (27 % der Jahresmiete) |
Bodenwert: 400 m² * 290 €/m² = 116.000 €
Bodenwertverzinsung: 116.000 € * (2,5 % / 100 %) = 2.900 €
Reinertrag des Grundstücks: 63.000 € – 17.010 € = 45.990 €
Gebäudereinertrag: 45.990 € – 2.900 € = 43.090 €
Gebäudeertragswert: 43.090 € * 17,81 = 767.432,90 €
Vorläufiger Ertragswert: 116.000 € + 767.432,90 € = 883.432,90 €
Ertragswert: 883.432,90 € – 45.000 € = 838.432,90 €
Das vereinfachte Ertragswertverfahren
Das vereinfachte Ertragswertverfahren ist dann sinnvoll, wenn der Eigentümer oder ein Kaufinteressent einen Richtwert benötigen, um den Kaufpreis einer Immobilie grob einschätzen zu können. Es ersetzt jedoch kein Immobiliengutachten durch einen Profi.
Was ist das vereinfachte Ertragswertverfahren?
Es gibt noch ein etwas einfacheres Rechenverfahren. Die Formel ist deutlich abgespeckt, liefert aber annähernd den gleichen Betrag wie das allgemeine Ertragswertverfahren. Das vereinfachte Verfahren eignet sich allerdings eher zur groben Orientierung für Eigentümer, denn der Endbetrag kann sich um ein paar Tausend Euro unterscheiden. Außerdem werden wertsteigernde oder wertmindernde Umstände nicht berücksichtigt. Wer es ganz genau wissen möchte, sollte daher auf die Hilfe eines Profis setzen und ein vollständiges Wertgutachten in Auftrag geben.
Wie funktioniert das vereinfachte Ertragswertverfahren?
Beim einfacheren Verfahren werden dieselben Werte wie beim allgemeinen Ertragswertverfahren benötigt. Allerdings reicht eine einzige Formel, die fast auf den gleichen Betrag hinausläuft. Die Formel lautet:
Ertragswert = (Rohertrag – Bewirtschaftungskosten) * Vervielfältiger + Bodenwert / qn
q = (i + 1)
i = Liegenschaftszins
n = Gesamtnutzungsdauer (Achtung: es handelt sich in diesem Fall nicht um die Restnutzungsdauer)
Beispiel für die Berechnung
Für das vereinfachte Ertragswertverfahren nehmen wir das obige Beispiel zum freistehenden Mehrfamilienhaus heran. Die bekannten Werte dazu sind:
Immobilienart | Freistehendes Mehrfamilienhaus |
Grundstücksfläche | 400 m² |
Bodenrichtwert | 290 €/m² |
Wohnfläche | 290 €/m² |
Baujahr | 1985 (Restnutzungsdauer: 46 Jahre) |
Wertminderung | 45.000 € (anstehende Dacherneuerung) |
Vervielfältiger | 17,81 |
Liegenschaftszins | 2,5 % (= 0,025) |
Jahresmiete (= Rohertrag) | 63.000 € |
Bewirtschaftungskosten | 17.010 € (27 % der Jahresmiete) |
Bodenwert: 400 m² * 290 €/m² = 116.000 €
Ertragswert:
(63.000 € – 17.010 €) * 17,81 + 116.000 € / (0,025 + 1)80 =
45.990 € * 17,81 + 116.000 € / 7,20957 =
819.081,90 € + 16.089,70 € = 835.171,60 €
Kosten
Die Kosten richten sich vor allem nach dem Aufwand, den der Gutachter damit hat. Je komplexer das Gutachten und das Gebäude, desto teurer wird es.
Wie viel kostet ein Wertgutachten?
Die Kosten für ein Wertgutachten können zwischen 800 Euro und 2.800 Euro liegen. Der Preis richtet sich danach, wie kompliziert und aufwendig es ist, den Verkehrswert der jeweiligen Immobilie herauszufinden. So sind die Gutachten für kleine Mietshäuser einfacher anzufertigen als für komplexe Bürogebäude. Hinzu kommt, wie umfangreich das Gutachten ausfällt. Dient es lediglich dazu, einen realistischen Verkaufspreis zu ermitteln, umfasst ein Kurzgutachten meist nur ein bis zwei Seiten und ist für weniger als 100 Euro zu haben. Muss es dagegen vor Gericht standhalten, zum Beispiel im Rahmen einer gerichtlichen Vermögensaufteilung, dann fällt es viel ausführlicher aus. Ein solches Langgutachten ist damit natürlich auch viel teurer.
Fazit
Das Ertragswertverfahren ist eine Rechenmethode zur Immobilienbewertung vermieteter Gebäude. Es bezieht in seiner Rechnung viele, verschiedene Einflussfaktoren mit ein, wodurch der ermittelte Immobilienwert einen sehr marktnahen, realistischen Wert darstellt. Im Kern der Ermittlung dreht es sich um die Mieteinnahmen, die Bewirtschaftungskosten und die Restnutzungsdauer. Daher ist es für privat genutzt Gebäude nicht geeignet. Eine Schwäche ist zudem, dass nur die aktuellen Mietpreise einkalkuliert werden. Die zukünftige Mietpreisentwicklung spielt keine Rolle.
Die Rechenformel des Ertragswertverfahrens sieht simpel aus, ist jedoch eine sehr komplexe, fehleranfällige Angelegenheit. Die Immobilienbewertung sollte daher nur von einem professionellen Gutachter durchgeführt werden. Ein Kurzgutachten erhalten Sie meist bereits unter 100 Euro. Umfangreiche Gutachten liegen in der Regel zwischen 800 und 2.800 Euro.
Wer einen groben Anhaltspunkt benötigt, um beispielsweise den Kaufpreis eines Mietshauses einschätzen zu können, kann sich allerdings mit dem vereinfachten Ertragswertverfahren behelfen. Es ist zwar ungenauer, kommt aber annähernd an den Betrag des allgemeinen Ertragswertverfahrens heran.