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Rechtsgutachten

Gutachten: Welche gibt es und wofür werden sie gebraucht?

Jérôme Grad
Verfasst von Jérôme Grad
Zuletzt aktualisiert: 21. Juni 2024
Lesedauer: 10 Minuten
Gutachter bei der Schadensanalyse © monkeybusinessimages / istockphoto.com

Gutachten helfen bei Streitfragen oftmals weiter. Sie sind eine auf Fakten basierende Feststellung eines Sachverständigen, mit der Sie unter gewissen Umständen Ihre Verhandlungsbasis verbessern. Wir sagen Ihnen, welche Gutachten es gibt, wann Sie diese einsetzen können und mit welchen Kosten Sie rechnen müssen.

Alles auf einen Blick:

  • Ein Gutachten ist das neutrale Urteil eines Sachverständigen über einen Mangel oder Schaden.
  • Das Beweisgutachten stellt sicher, dass der streitige Sachverhalt auch zu einem späteren Zeitpunkt nachvollziehbar ist.
  • Private Personen geben ein Privatgutachten – auch Parteigutachten – in Auftrag. Das Schriftstück kann unter gewissen Umständen später vor Gericht als Beweis dienen.
  • Das Gerichtsgutachten wird zur Entscheidung eines gerichtlichen Verfahrens genutzt und wird nur von staatlichen Gerichten in Auftrag gegeben.
  • Das Schiedsgutachten ist eine Möglichkeit der außergerichtlichen Einigung. Der Schiedsgutachter wird von beiden Parteien bestimmt. Der Inhalt ist verbindlich.

Definition

Ein Gutachten ist eine begründete und neutrale Beurteilung. Ein Sachverständiger erstellt zum Klären eines umstrittenen Sachverhalts das Schriftstück, das als Grundlage dient, um einen verifizierten Anspruch geltend zu machen.

Was ist ein Gutachten?

Das Gutachten eines Experten beinhaltet alle relevanten Fakten und Werturteile. Es soll trotz der komplexen Fragestellung für Laien verständlich sein. Mutmaßungen und persönliche Meinungen kommen nicht vor.

In einer solchen schriftlichen Stellungnahme sind Erfahrungssätze des Sachverständigen zusammengefasst. Daher sind besondere Sachkunde, Fachwissen und Erfahrung beim Erstellen eines Gutachtens unabdingbar. Was ein Gutachter können muss und welche Unterscheidung es zum Sachverständigen gibt erfahren Sie hier.

Wofür benötigen Sie ein Gutachten?

Gutachten können Sie in Auftrag geben, wenn ungeklärte Rechts- oder Sachfragen bestehen. Klassischerweise geht es um einen Schaden oder Mangel. Dabei untersucht ein Sachverständiger die tatsächlichen Umstände und worauf der Mangel oder Schaden zurückzuführen ist. Anschließend schätzt er, in welcher Form und mit welchem finanziellen Aufwand der Mangel oder Schaden behoben werden kann.



Beweisgutachten

Das Beweisgutachten soll einen Sachverhalt bestätigen oder entkräften. Es dient der schriftlichen Dokumentation eines Mangels oder Schadens und kann in Gerichts- und Privatgutachten unterteilt werden.

Wann benötigen Sie ein Beweisgutachten?

In einem Beweisgutachten wird ein festgestellter Mangel schriftlich dokumentiert, um diesen geltend zu machen. Dies wird notwendig, wenn die Gefahr besteht, dass Sie den Mangel oder Schaden zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr nachweisen können. Das wäre bei einem einsturzgefährdeten Haus der Fall.

Ein Beweisgutachten ist nicht nur bei einem vorliegenden Schaden sinnvoll, sondern auch vor dem Bau eines Eigenheims. So sind Sie in der Lage, den Status quo festzustellen und spätere Baumängel besser zuzuweisen.

Wer erstellt ein Beweisgutachten?

Sie können als Privatperson einen Gutachter beauftragen, der als Spezialist für das entsprechende Thema gilt, beispielsweise für Kugellager bei LKWs. Dieser erstellt seinen Bericht, in dem er ein gutachtliches Urteil fällt. Die Beweissicherung kann auch durch ein Gericht angeordnet werden. In diesem Fall erstellt ein vom Richter bestellter Gutachter das Dokument.

Es macht Sinn, bei der Beauftragung des Gutachters auf zertifizierte Sachverständige zurückzugreifen, um die Fachkenntnis für ein neutrales Gutachten zu gewährleisten. Achten Sie bei Ihrer Auswahl auf Zertifikate der Industrie- und Handelskammer (IHK), TÜV oder DEKRA.

Was kostet ein Beweisgutachten?

Die Kosten werden davon beeinflusst, ob es sich um eine Privatgutachten oder Gerichtsgutachten handelt, also eine Privatperson oder ein Gericht den Gutachter beauftragt. Bei Letzterem sind die Kosten gesetzlich geregelt, bei Privatgutachen verhandelt der Experte sein Gehalt.

Privatgutachten

Das Privatgutachten wird von einer privaten Person, Firma oder Verwaltung in Auftrag gegeben. Es wird deshalb auch Parteigutachten genannt. Die Kosten sind vor der Einholung einer solchen fachlichen Stellungnahme zu klären.

Wann brauchen Sie ein Privatgutachten ?

Ein Privatgutachten wird notwendig, wenn Sie als Privatperson die andere Partei von einer vertraglichen Verletzung überzeugen und den Streitfall nicht vor Gericht bringen wollen.

Dies kann bei einem Baumangel von Gebäuden, Bauteilen, Garten- und Freizeitanlagen oder Straßen der Fall sein.

Hilfreich ist ein Privatgutachten auch bei einem Neu- und Umbau Ihres Zuhauses, da es die Arbeit der Handwerker kontrolliert. Denn durch schlampige Arbeit oder Planung entstehen zunächst unsichtbare Mängel, wie Feuchtigkeit im Mauerwerk, was Schimmelbildung zur Folge haben kann. (Wie Sie Ihre Mauer wieder trocken bekommen). Vor einem Hauskauf oder -verkauf bietet es sich an, den Verkehrswert von einem Sachverständigen ermitteln zu lassen.

Ein weiteres Beispiel: Sie haben ein Auto gekauft, das im Vertrag als unfallfreies Fahrzeug deklariert war. Durch defekte Achsen unmittelbar nach dem Kauf haben Sie Zweifel, ob das Auto wirklich unfallfrei ist. Um Klarheit zu bekommen, können Sie ein Beweisgutachten erstellen lassen, das Sie bei Streitereien als zuverlässige, objektive Einschätzung vorlegen können.

TIPP:
Meist übersteigt die später aufzubringende Schadenssumme das Honorar für einen Privatgutachter. Deshalb sollten Sie sich nicht von den anfallenden Kosten abschrecken lassen.

Wer erstellt das Privatgutachten?

Das Privatgutachten erstellt ein Experte. Da das Schriftstück von einer privaten Partei in Auftrag gegeben wird, ist der Begriff Parteigutachten ebenso üblich. Private Auftraggeber sind neben Privatpersonen auch Firmen, Versicherungen, Verwaltungen und Verbände.

Ein zertifizierter Sachverständiger minimiert das Risiko eines sogenannten Gefälligkeitsgutachtens. Eine solche Stellungnahme orientiert sich nicht an der fachlichen Richtigkeit, sondern am Interesse des Auftraggebers und begünstigt somit eine Partei.

Ein formal und sachlich korrektes Gutachten erhöht allerdings die Aussagekraft und verbessert damit Ihre Verhandlungsposition. Ein Qualitätssiegel für Fachkompetenz bieten Privatgutachter, die ein Zertifikat von TÜV, DEKRA oder IHK besitzen.

HINWEIS:
Als Geschädigter können Sie Ihren Privatgutachter frei wählen.

Was kostet das Privatgutachten?

Der Preis bemisst sich an unterschiedlichen Faktoren, wie Sachgebiet, Umfang sowie Höhe des Schadens. Daher ist es nicht möglich, einen pauschalen Betrag zu beziffern. Aufgrund einer Umfrage des Bundesverbands der freiberuflichen und unabhängigen Sachverständigen für 2018 sollten Sie mit folgenden Beträgen rechnen:

  • Schadenshöhe: 500 Euro: Grundhonorar von 150-230 Euro
  • Schadenshöhe: 2.000 Euro: Grundhonorar von 365-425 Euro
  • Schadenshöhe: 5.000: Grundhonorar von 570-650 Euro
  • Schadenshöhe: 20.000: Grundhonorar von 1.200-1.450 Euro

Daneben können Nebenkosten für Fahrten oder Telefonate anfallen.



Gerichtsgutachten

Gerichtsgutachten dienen der Beweisführung bei Gericht. Dafür bestimmt ein Richter einen vereidigten Sachverständigen. Die Honorarkosten für die Gutachtertätigkeit sind gesetzlich geregelt und werden von den streitenden Parteien anteilig übernommen.

Wann wird ein Gerichtsgutachten verwendet?

Das Gutachten wird notwendig, wenn eine der beiden Parteien bei einer gerichtlichen Auseinandersetzung ein Privatgutachten nicht anerkennt.

Für die Entscheidung im Verfahren bestimmt der Richter im Sinne der Zivilprozessordnung (ZPO) einen Gutachter. Dieser darf zur Erstellung seiner Arbeit das bereits angefertigte Privatgutachten einbeziehen.

Wer erstellt das Gerichtsgutachten?

Das Gericht beauftragt einen Gutachter. Dieser muss zuvor öffentlich bestellt und vereidigt worden sein und darf den gerichtlichen Auftrag nicht verweigern. Ausnahme: Der zuständige Experte ist mit einer Vertragspartei verwandt oder verschwägert oder besitzt nicht die notwendige fachlichen Kompetenz.

Was kostet das Gerichtsgutachten?

Die Honorare für vereidigte Sachverständige sind im Gesetz über die Vergütung von Sachverständigen, Dolmetscherinnen, Dolmetschern, Übersetzerinnen, Übersetzern sowie die Entschädigung von ehrenamtlichen Richterinnen, ehrenamtlichen Richtern, Zeuginnen, Zeugen und Dritten, kurz JVEG, geregelt. In Abschnitt 3, Paragraph 9 ist der Honorarsatz in 16 Gruppen eingeteilt. Je nach Fachgebiet liegt der Stundensatz zwischen 65 und 125 Euro. Für den Preis eines solchen Gutachtens müssen Sie den Stundensatz mit der benötigten Stundenzahl multiplizieren.

Schiedsgutachten

Neben Privatgutachten ist das Schiedsgutachten eine weitere Möglichkeit der außergerichtlichen Streitbeilegung. Dabei wird der Sachverständige nicht von einer Partei, sondern von beiden Parteien beauftragt. Das Schiedsgutachten ist für beide Parteien verbindlich.

Wann wird ein Schiedsgutachten benötigt?

Schiedsgutachten bieten die Chance, Vertragsinhalte bei Meinungsverschiedenheiten durch einen unabhängigen, unparteiischen und fachlich kompetenten Sachverständigen prüfen zu lassen. Damit soll bei Scheidungen oder Erbstreitigkeiten der Gang vor Gericht vermieden werden.

Hierbei verpflichten sich beide Parteien im Gutachtenvertrag, ihre Meinungsverschiedenheit nicht vor ein Zivilgericht zu bringen, sondern einem Schiedsgutachter anzuvertrauen. Voraussetzung für die Benennung eines Schiedsgutachters ist die Schiedsgutachterabrede.

Wer erstellt das Schiedsgutachten?

Ein Schiedsgutachter erstellt das für beide Streitparteien verbindliche Dokument. Der Schiedsgutachter wird meist von einer Privatperson, also nicht vom Gericht, beauftragt.

Das Schiedsgutachten ist nicht gültig, wenn sich die beteiligten Parteien einvernehmlich auf dessen Unwirksamkeit verständigen. Ein Schiedsgutachten können Sie vor Gericht grundsätzlich nur überprüfen lassen, wenn dieses „offenbar unbillig“ war, wie es in Paragraph 319 Absatz 1 BGB definiert ist. Das bedeutet, dass das Schiedsgutachten nicht neutral verfasst wurde beziehungsweise ein Gefälligkeitsgutachten vorliegt.

Was kostet das Schiedsgutachten?

Die Kosten für ein vom Schiedsgutachter durchgeführtes Verfahren tragen beide Parteien anteilig zu 50 Prozent. Da keine gesetzliche Regelung besteht, kann der Schiedsgutachter die Vergütung selbst verhandeln. Sie sollten demnach vor der Unterschrift des verbindlichen Schiedsverfahrens das Honorar mit dem Schiedsgutachter absprechen. Dieses kann bis zu 25 Prozent von den in der JVEG definierten Honorarsätzen der gerichtlich bestellten Sachverständigen abweichen. So kann das Honorar durchaus bei 120 Euro pro Stunde liegen. Wie hoch die Gesamtkosten ausfallen, ist vom Umfang der Fragestellung und dem Sachgebiet abhängig.

Obergutachten

Ein Obergutachten wird in Auftrag gegeben, wenn das vorherige Gutachten für ein rechtsgültiges Urteil nicht ausreicht. Die Kosten für das neue Gutachten tragen beide streitenden Parteien.

Wann wird ein Obergutachten benötigt?

Ein Richter fordert ein Obergutachten an, wenn er nach der Aussage des Sachverständigen weiterhin keine Entscheidung in der Streitfrage treffen kann. Ein Privatgutachten wird so auf die tatsächlichen Umstände überprüft. Die neue Begutachtung kann bei besonders schwierigen Sachverhalten, bei Zweifeln an der Sachkunde des Experten oder bei einem mangelhaft angefertigten Gutachten erfolgen.

Auch bei zwei sich widersprechenden Gutachten greift ein Richter auf ein Obergutachten als Drittlösung zurück.

Obergutachten kommen neben Bau- und KFZ-Urteilen häufig bei medizinischen Themen zum Einsatz.

Wer erstellt das Gutachten?

Ein geeigneter Sachverständiger für das Obergutachten wird vom Gericht beauftragt. Er muss zuvor öffentlich bestellt und vereidigt worden sein. Um ein Obergutachten in Auftrag zu geben, muss der Richter das vorliegende Gutachten als ungenügend im Sinne von §412 der ZPO einstufen.

Was kostet das Gutachten?

Die Kosten bemessen sich, wie bei einem Gerichtsgutachten, an der Tabelle gemäß des JVEG. Bei einem vom Richter angeordneten Obergutachten tragen beide Parteien die Kosten anteilig zur Hälfte, es sei denn, es wurde etwas anderes vereinbart.



Fazit

Es gibt mehrere Formen der Begutachtung. Privatgutachten finden immer dann Anwendung, wenn Sie über eine Leistung im Vertrag unzufrieden sind. Dies ist meist bei einem Mangel oder Schaden der Fall. Für einen außergerichtlichen Streit können Sie einen Gutachter mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragen. Dieses liefert Ihnen eine neutrale Einordnung des zu klärenden Sachverhalts.

Ein Gerichtsgutachten kann nur vom Gericht angeordnet werden. Diese Stellungnahme eines Experten dient als Beweismittel bei einer Verhandlung. Ein Schiedsgutachter kommt zum Einsatz, wenn sich beide Parteien gegen ein Gerichtsverfahren entscheiden. Der Vertrag zum Schiedsgutachten ist für beide Parteien verbindlich. Ungültig werden Gutachten nur, wenn sie unbillig sind. Bei einem Privatgutachten kann die gegnerische Seite einen anderen Sachverständigen mit der Erstellung eines zweiten Gutachtens beauftragen.

Über unsere*n Autor*in
Jérôme Grad
Nach seinem Studium verschrieb sich Jérôme komplett der Tätigkeit als Redakteur, zunächst im Sportbereich, später im Zeitungsverlag. Journalistische Erfahrungen sammelte er in Print- und Onlineredaktionen, darunter unter anderem beim Kicker Sportmagazin und nordbayern.de.