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Haftpflichtschaden: Wann der Gutachter helfen kann

Gutachter.org Team
Verfasst von Gutachter.org Team
Zuletzt aktualisiert: 02. November 2021
Lesedauer: 6 Minuten
Sind beide Fahrer am Unfall schuld, wird anhand eines Gutachtens festgelegt, zu welchem Prozent sie sich an den Kosten beteiligen. © NettoFigueiredo/ pixabay.com

Im Straßenverkehr geschehen täglich zahlreiche Unfälle. Handelt es sich um einen Haftpflichtschaden, muss die Versicherung des Verursachers für den Schaden aufkommen. Oft gibt es jedoch Streitigkeiten darüber, welche Kosten getragen werden müssen und wer haftet. Wann ein Gutachter helfen kann, erfahren Sie auf Gutachter.org.

Über 200.000 Unfälle geschehen jeden Monat auf deutschen Straßen. Glücklicherweise wird in den meisten Fällen niemand schwer verletzt, zumal die Fahrzeuge immer sicherer werden. Dennoch entstehen oft teure Sachschäden und genauso kostspielige Rechtsstreite darüber, wer dafür aufkommen soll. Ein Gutachter bestimmt bei einem Haftpflichtschaden, inwiefern die Versicherungen Kosten übernehmen müssen. Aus diesem Grund lohnt es sich, bei der Wahl gründlich vorzugehen.

Was macht der Gutachter?

Bei einem Unfallgutachter handelt es sich um eine qualifizierte Person, die im Verkehrsbereich und insbesondere auf Kfz-Unfälle spezialisiert ist. In Deutschland gibt es keinen besonderen Studien- oder Lehrgang, der zum Führen dieser Bezeichnung berechtigt. In der Regel absolvieren Gutachter jedoch spezielle Weiterbildungen beim TÜV, DEKRA oder anderen Anstalt. Zu unterscheiden sind Unfallanalytiker von reinen Kfz-Gutachtern. Erstere können bei einem Haftpflichtfall die Unfalldynamik mit Hilfe von Softwareprogrammen nachstellen und Haftungsfragen klären. Die Aufgabe eines Kfz-Gutachters besteht dagegen darin, den Schaden am beteiligten Fahrzeug und die Reparaturkosten abzuschätzen. Ist die Schuldfrage bereits geklärt, ist somit keine aufwändige Rekonstruktion notwendig.

Die Kosten für einen Unfallanalytiker bewegen sich zwischen 1.000 und 2.000 Euro. Aber auch ein reines Kfz-Gutachten schlägt mit mindestens 400 Euro zu Buche und erhöht sich je nach Aufwand. Dabei nimmt der Experte das Fahrzeug unter die Lupe. Neben seinem Zustand stellt er fest, ob schon frühere Schäden vorhanden sind, damit sie nicht zu Unrecht von der gegnerischen Versicherung bezahlt werden. Auch Umbauten werden angegeben. Darüber hinaus schätzt er die Fahrtüchtigkeit des Fahrzeugs und seinen Restwert ab. Auch der sogenannte Nutzungsausfall wird festgelegt. Es handelt sich um den finanziellen Schaden, den der Geschädigte trägt, wenn er zum Beispiel für die Dauer der Reparatur auf ein Mietfahrzeug angewiesen ist. Auch diese Summe ist von den gegnerischen Versicherung erstattungsfähig.

Unterscheiden soll man ein solches Gutachten von einem Kostenvoranschlag, der  von einer Werkstatt erstellt wird. Darin werden nur die notwendigen Reparaturen, die Ersatzteile und die notwendigen Arbeitsstunden aufgelistet. Wie genau die Berechnung sein muss, hängt davon ab, ob es sich um einen verbindlichen oder um einen unverbindlichen Kostenvoranschlag handelt. Bei ersterem muss die am Ende genannte Summe genau eingehalten werden, bei zweiterem darf sie um bis zu 20 Prozent abweichen. Auch ein Kostenvoranschlag ist nicht umsonst. Üblich sind Preise von 50 bis 100 Euro beziehungsweise 10 Prozent des Schadens. Sie werden allerdings in der Regel mit den Reparaturkosten verrechnet.

Ihre Rechte bei Verkehrsunfällen

Bei einem fremdverschuldeten Unfall mit einem Haftpflichtschaden verlangt die gegnerische Versicherung meist nach einem Gutachten, bevor sie jegliche Kosten übernimmt. Ausnahmen sind Blechschäden, wenn die Beteiligten sich über die Schuldfrage einig sind, zum Beispiel bei Kratzern oder Beulen an einem geparkten Auto. Hier wird meist der Kostenvoranschlag einer Werkstatt akzeptiert.

Anders als bei einem Kaskoschaden dürfen Sie bei einem Haftpflichtschaden einen unabhängigen Gutachter selber beauftragen. Ist der Unfall komplett fremdverschuldet, muss die gegnerische Versicherung nicht nur die Reparaturkosten Ihres Fahrzeugs zahlen, sondern auch für die Kosten des Gutachtens aufkommen, sofern sie im Verhältnis zum Schaden angemessen sind. Nach der jüngsten Rechtsprechung sind Gutachten für Streitwerte über 750 Euro erstattungsfähig. Liegen die Schadenskosten darunter, bleiben Sie dagegen möglicherweise auf der Rechnung des Sachverständigen sitzen.

Im Haftpflichtfall werden Sie meist schon kurz nach der Unfallanzeige von der Versicherung des Verursachers kontaktiert. Sie versuchen oft zu Ihrem Nachteil, ihre Kosten zu minimieren. Ein beliebter Trick besteht darin, einen ihrer Meinung nach erfahrenen und fairen Gutachter vorzuschlagen, der jedoch oft im Interesse der Versicherung handelt. Sie werden somit weniger entschädigt, als Ihnen zusteht, da auch bei einem Zivilverfahren die Gerichtsurteile sich auf das Gutachten stützen. Dabei haben Sie die freie Gutachterwahl. Es ist daher Ihr gutes Recht, selber einen Sachverständigen aufzusuchen.

ACHTUNG
Einigen Sie sich mit der gegnerischen Versicherung zuerst auf den von ihnen bereitgestellten Gutachter, müssen Sie einen zweiten Sachverständigen aus eigener Tasche bezahlen. Sagen Sie daher erst gar nicht zu, um keine unangenehmen Überraschungen zu erleben.

Wenn es um die Erstattung eines Hapftpflichtschadens geht, können Sie nach einem Gutachten entweder eine tatsächliche Reparaturrechnung einreichen, oder sich für eine sogenannte fiktive Abrechnung entscheiden. Im zweiten Fall zahlt Ihnen die Versicherung des Gegners den auf dem Gutachten vermerkten Betrag.

Haftpflichtschaden beim Fahrrad

Nicht nur motorisierte Fahrzeuge werden bei Unfällen beschädigt. Auch Radfahrer müssen teure Reparaturen bezahlen oder sich gar ein neues Fahrrad anschaffen, wenn ein Totalschaden besteht. Für einen Haftpflichtschaden am Fahrrad, die von einem Kraftfahrzeug verursacht wird, kommt seine Versicherung auf. Da es sich bei der Werkstattrechnung in der Regel um Beträge unter 1.000 Euro handelt, ist ein Gutachter nicht notwendig, wenn beide Parteien sich über Schuldfragen einig sind. Ist die Versicherung jedoch der Meinung, dass die Reparaturkosten zu hoch sind, kann ein Gutachten bei der Streitklärung helfen. Mehr dazu erfahren Sie in diesem Artikel.

Ausreichend für die Erstattung durch die Haftpflichtversicherung ist ein Kostenvoranschlag des Fahrradhändlers. Er schätzt den Restwert des Rads und die Reparaturkosten. Übersteigt ihre Summe den Wiederbeschaffungswert, hat der Geschädigte Anspruch auf ein neues Fahrrad.

Fazit

Bei einem Haftpflichtschaden im Verkehr ist ein Gutachten meist notwendig, damit die Versicherung des Gegners die Kosten erstattet. Dabei darf der Geschädigte den Gutachter frei wählen. Er schätzt den Restwert des Fahrzeugs und die notwendigen Reparaturen. Lediglich bei Bagatellschäden ist der Kostenvoranschlag der Autowerkstatt ausreichend, wenn die Schuldfrage geklärt ist. Bei einem Fahrradunfall lohnt sich ein Gutachten von einem Sachverständigen nur, wenn der Radfahrer den Unfall mitverursacht hat und finanziell haften soll. In allen anderen Fällen genügt ein Gutachten des Fahrradhändlers. Wenn Sie auf der Suche nach einem Gutachter in Ihrer Nähe sind, finden Sie hier Kontaktdaten, um sich kostenlos und unverbindlich Angebote einzuholen.

Über unsere*n Autor*in
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