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Kfz-Gutachten

Kostenvoranschlag oder Kfz-Gutachten: Was ist nach einem Autounfall besser?

Gutachter.org Team
Verfasst von Gutachter.org Team
Zuletzt aktualisiert: 05. Juni 2024
Lesedauer: 8 Minuten
© Gellinger / pixabay.com

Kostenvoranschlag oder Gutachten: Worin liegt der Unterschied?

Ein Kostenvoranschlag wird in der Regel von einer Werkstatt durchgeführt und enthält die voraussichtlich entstehenden Kosten. Er schlüsselt zusätzlich auf, auf welchen Kriterien die Schätzung basiert. Das Gutachten dagegen kann nur von einem zertifizierten Gutachter oder Kfz-Sachverständigen durchgeführt werden und umfasst neben den reinen Reparaturkosten zahlreiche zusätzliche Schadensforderungen.

Nach einem unverschuldeten Verkehrsunfall muss der Geschädigte gegenüber der gegnerischen Haftpflichtversicherung seinen Schaden beziffern. Hierfür ist der Geschädigte auf fremde Hilfe angewiesen und kann zwischen zwei Möglichkeiten unterscheiden: Entweder entscheidet er sich für ein Gutachten eines Sachverständigen oder einen Kostenvoranschlag einer Kfz-Werkstatt. Der Gang zum Sachverständigen ist in der Regel immer anzuraten. Warum? Dieser Artikel auf Gutachter.org liefert alle Antworten.

UNSER TIPP:
Vertrauen Sie den Experten aus Ihrer Nähe für Gutachten oder Kostenvoranschläge.

Unfallreparatur: Was ist ein Kostenvoranschlag?

Beim Kostenvoranschlag werden im Vorfeld alle Kosten für einen Auftrag abgeschätzt, sie sind somit lediglich eine kaufmännische Vorkalkulation. Kunden erhalten also eine Überschlagsrechnung und keinen „Festpreis“. Der Kostenvoranschlag ist immer unverbindlich für den Kunden und sollte hinsichtlich der Gültigkeitsdauer eher kürzer als länger gehalten werden. Empfohlen werden maximal sechs Wochen.

Was beinhaltet ein Kostenvoranschlag?

Zu der Berechnungsgrundlage des Kostenvoranschlags gehören folgende Punkte:

  • Art und Umfang der Arbeiten, die ausgeführt werden sollen
  • die geschätzte Arbeitszeit
  • die geschätzten Arbeitskosten: Der Stundenlohn kann variieren. Zum Beispiel macht es einen Unterschied, ob der Meister oder der Auszubildende die Arbeiten ausführt.
  • die Materialkosten
  • der Zeitraum

Wer erstellt Kostenvoranschläge?

Prinzipiell werden Kostenvoranschläge nur von Werkstätten durchgeführt. Teilweise werben auch Kfz-Sachverständige damit, streng genommen handelt es sich bei ihnen allerdings um Kurzgutachten, die zum besseren Verständnis als Kostenvoranschläge bezeichnet werden.

Was ist ein Kfz-Gutachten?

Um die Höhe der anfallenden Reparaturkosten oder der Schadensersatzforderungen nach einem Unfall exakt benennen zu können, eignen sich Kfz-Gutachten. Der Kfz-Gutachter nimmt die Schäden, die an Ihrem Fahrzeug entstanden sind, genau unter die Lupe und erstellt ein Unfallgutachten. Dafür dokumentiert er sämtliche Mängel, die nachweislich auf den Unfall zurückzuführen sind, und schätzt den nötigen Aufwand für eine Reparatur. Dieser Nachweis dient als Grundlage, um sich die voraussichtlichen Reparaturkosten von der Kfz-Versicherung erstatten zu lassen.

Was beinhaltet ein Unfallgutachten?

Ein Unfallgutachten ist ein konkreter Steckbrief des Autos, in dem der aktuelle Zustand inklusive der folgenden Informationen festgehalten wird:

  • technische Daten des Fahrzeugs
  • besondere Ausstattungsmerkmale
  • detaillierte Beschreibung der Unfallschäden
  • Lichtbilder zu den aufgeführten Schäden
  • Beschreibung notwendiger Reparaturen
  • Kostenkalkulation für die Behebung der Schäden
  • benötigter Zeitaufwand für die Reparatur
  • Beurteilung, ob ein wirtschaftlicher Totalschaden vorliegt
  • Dokumentation bereits vorhandener Schäden am Kfz
  • Feststellung der Wertminderung und des Restwerts des Fahrzeugs
  • Ermittlung des aktuellen Wiederbeschaffungswerts
  • Schätzung der Ausfallzeit, wenn Sie zum Beispiel einen Mietwagen brauchen

Wer erstellt Kfz-Gutachten?

Grundsätzlich kann jeder ein Kfz-Gutachten anfertigen, ein Sachkunde-Nachweis muss dafür nicht vorgelegt werden. Sollte der Fall aber vor Gericht gehen, lässt sich das Gutachten eines „Amateurs“ leichter anzweifeln. Deshalb empfiehlt es sich, einen öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen das Kfz-Gutachten anfertigen zu lassen.

Je qualifizierter ein Unfallgutachter ist, desto eher ist das Gericht und die Versicherung der Gegenseite dazu geneigt, dem Gutachten Vertrauen zu schenken. Die Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers wird dem Geschädigten einen Gutachter für das Auto vorschlagen. Dies kann der Geschädigte berücksichtigen, muss er aber nicht.

Welche Vorteile hat das Kfz-Gutachten?

Das Kfz-Gutachten eines Sachverständigen liefert eine Reihe von Vorteilen:

  1. Die Sicherheit liegt auf Ihrer Seite
  2. Sie tragen kein Risiko
  3. Daten vom Fahrzeug werden mit den Fahrzeugpapieren abgeglichen
  4. Im Gutachten werden auf mögliche Risiken hingewiesen
  5. Plausibilitätsprüfung liegt zu Grunde
  6. Das Kfz-Gutachten hat einen beweissichernden Charakter gegenüber eines Kostenvoranschlages


Kostenvoranschlag oder Kfz-Gutachten: Was will die Versicherung?

Schon einmal vorab: Ein Kfz-Gutachter kann, muss aber nicht hinzugezogen werden. Das gilt für den Unfallverursacher ebenso wie für den Geschädigten. Gewünscht wird aber folgende Vorgehensweise: Als Unfall-Verursacher melden Sie den Schaden unverzüglich Ihrer Versicherung. Bei Schäden an Ihrem eigenen Fahrzeug wird Ihnen die Versicherung die Möglichkeiten der Schadenbehebung aufzeigen. Zur genauen Festlegung der Kosten beauftragt die Versicherung dann häufig einen Kfz-Gutachter.

Auch der Geschädigte ist gut beraten, den Schaden umgehend bei der gegnerischen Versicherung zu melden. Diese verlangt in den meisten Fällen eine Übersicht der zu erwartenden Kosten für die Behebung der Schäden.

Wieso genügt der Kostenvoranschlag unter Umständen nicht für die Versicherungsmeldung?

Ein Kostenvoranschlag teilt der Versicherung lediglich die Reparaturkosten mit. Einige Informationen liegen nicht vor, obwohl diese die für eine vollständige Schadensregulierung relevant sind. Das sind konkret:

  • der merkantile Minderwert, also der Wertverlust des Fahrzeugs nach einem Unfall
  • der Restwertdes verunfallten Fahrzeuges
  • der Wiederbeschaffungswerteines gleichwertigen, neuen Fahrzeuges
  • und damit die Einschätzung, ob ein wirtschaftlicher Totalschaden

Wenn lediglich die Reparaturkosten bekannt sind, entscheidet der Versicherer, ob ein wirtschaftlicher Totalschaden vorliegt oder nicht. Dieser versucht dann häufig den Restwert des Fahrzeuges höher anzusetzen als er eigentlich ist. Dadurch kann der Versicherer sich die Finanzierung eines neuen, gleichwertigen Wagens bei wirtschaftlichem Totalschaden sparen und muss nur für eine günstigere Reparatur aufkommen.

Geht es um Fragen nach Totalschaden und Restwert, müssen die Schäden am Fahrzeug jedoch in der Regel so groß sein, dass die gegnerische Versicherung auch einen professionellen Kfz-Gutachter bezahlen muss.

Soll und muss ich den Gutachter der gegnerischen Versicherung annehmen?

Der Gutachter der gegnerischen Versicherung muss nicht akzeptiert werden, durch das Recht auf einen eigenen Gutachter soll „Waffengleichheit“ zur Haftpflichtversicherung hergestellt werden. Die Versicherungen haben eigene Gutachter, die oftmals technisch überlegen sind. Diese Überlegenheit soll dadurch ausgeglichen werden, dass Sie auf Kosten der Versicherung einen Sachverständigen beauftragen können, den Sie frei wählen. Das Recht auf einen Gutachter wird immer wieder durch die Gerichte bestätigt, auch durch ein Urteil des Bundesgerichtshofes vom 30.11.2004 (VI ZR 365/03).

Es ist also ratsam, einen freien Sachverständigen seines Vertrauens zu beauftragen, damit auch die Wertminderung neben den Fahrzeugschäden richtig ermittelt wird.

Wer bezahlt für den Kostenvoranschlag oder das Gutachten?

Nach einem Autounfall taucht in den meisten Fällen die Frage nach dem Schuldigen auf. Für Schäden und mögliche Schadensersatzforderungen des Geschädigten kommt in der Regel die Haftpflicht­versicherung des Unfallverursachers auf. Schäden am Auto des Verursachers werden über die Teilkasko oder Vollkasko abgewickelt. Doch wer kommt für die Kosten für den Kostenvoranschlag oder das Gutachten auf?

Was kostet ein Kostenvoranschlag?

Ein Kostenvoranschlag kostet Arbeitszeit, die sich viele natürlich gerne bezahlen lassen wollen. Das Gesetz sieht das allerdings nicht vor, laut § 632 Absatz 3 BGB ist „ein Kostenanschlag im Zweifel nicht zu vergüten“. Im Zweifel bedeutet, dass Unternehmen dies nur individuell über einen Extra-Vertrag im Vorfeld aushandeln müssen.

Was kostet ein Kfz-Gutachten?

Die Höhe der Rechnung für einen Kfz-Gutachter orientiert sich meistens an der Höhe des entstandenen Schadens. Als Grundlage für die Ermittlung der Kosten dienen entsprechende Tabellen großer Verbände als Bemessungsgrundlagen, anhand derer bestimmte Leistungen zu fixen Beträgen abgerechnet werden. Die untenstehende Tabelle liefert einen groben Überblick möglicher Gutachterhonorare gemäß einer Honorarbefragung des BVSK im Jahr 2015:

Kostenvoranschlag oder Gutachten: Wer zahlt?

Die Kosten für das Schadensgutachten im Haftpflichtfall hat die Versicherung des Unfallverursachers zu bezahlen. Wenn Sie an dem Unfall überhaupt keine Schuld haben, werden die Kosten vollständig übernommen. Trifft Sie eine Mitschuld, wird eine Haftungsquote festgelegt und die Kosten für das Gutachten nach dieser Quote erstattet. Typischer Fall sind die Parkplatzunfälle, wenn beide gleichzeitig ausparken und sich in der Mitte treffen. Die Versicherung reguliert den Schaden mit einer Quote von 50 %, also werden auch die Gutachterkosten zur Hälfte erstattet. Im Kaskofall ist die Versicherung „weisungsbefugt“, das bedeutet, die Versicherung ist berechtigt, eigene Sachverständige zu beauftragen. Das wiederum bedeutet, die Kosten der Erstellung des Gutachtens trägt in der Regel die Versicherung.

Im Gegensatz zum Gutachten werden Kostenvoranschläge in der Regel kostenlos erstellt. Wird ein bereits angesprochener Extra-Vertrag für den Aufwand ausgehandelt, sind diese Kosten von der Versicherung zu erstatten.



Fazit

Ein Kostenvoranschlag empfiehlt sich immer nur dann, wenn der Schaden unterhalb der Bagatellschadensgrenze (750 €) liegt. Abgesehen davon raten wir Ihnen dennoch, ein Kurzgutachten erstellen zu lassen. Denn in den meisten Fällen liegt der Schaden bereits oberhalb der Bagatellschadensgrenze. Somit haben Sie dann das Recht, einen freien und unabhängigen Kfz-Gutachter Ihrer Wahl zu beauftragen. Wollen Sie ansonsten den sicheren Weg wählen, entscheiden Sie sich für ein Kfz-Gutachten – es bietet eine vollumfängliche Ermittlung relevanter Werte im Schadenfall.

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